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Montagsinterview: Johanna Klug

Johanna Klug baut den Studiengang Perimortale Wissenschaften auf, ist selbst Sterbebegleiterin und bloggt auf endlichendlos.de

 

Was haben Sie mit dem Tod zu tun?

Momentan wohl eine ganze Menge. Das Thema Tod ist sowohl in meiner Arbeit als auch in meinem Ehrenamt permanent präsent. Als Sterbebegleiterin habe ich bereits einige Jahre Erfahrungen gesammelt: auf einer Palliativstation, aber auch in der ambulanten Begleitung von todkranken Kindern. Eigentlich komme ich aus den Medien und Journalismus, aber das war mir auf Dauer zu oberflächlich. Aus Leidenschaft ist Berufung geworden. Seit April 2019 bin ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin für den Studiengang „Perimortale Wissenschaften“ mitverantwortlich und promoviere über die Thematik der Kinder-Sterbehilfe in den BeneLux Ländern.

Wie sind Sie zu diesem Thema gekommen?

Das kann ich gar nicht genau sagen. Auf einmal war dieser Gedanke da, sterbende Menschen zu begleiten und ihnen ein Lächeln auf ihr zu Gesicht zaubern. Ganz einfach gesagt: schöne Momente mit ihnen zu erleben. Es hat mich auch nie geängstigt bzw. habe ich nie angezweifelt, ob ich die Begleitung und den Tod anderer Menschen verarbeiten könnte. Das war nie ein Thema. Ich wusste, ich kann das. Damals war ich 20 Jahre alt und daran hat sich bis heute nichts geändert. Die Leidenschaft ist noch mehr gewachsen.

Was macht der Tod mit Ihrem Leben?

Seitdem ich angefangen habe, den Tod so bewusst in mein Leben zu lassen, bin ich davon bisher nur bereichert worden und das in jeglicher Hinsicht. Ich habe mich schon sehr früh mit meinem eigenen Tod auseinandergesetzt, wie sonst könnte ich Sterbende begleiten?

Die Begegnungen und Gespräche mit Sterbenden sind tiefgehend, intensiv und erfüllend. Mir erschien eine Zeit lang das Leben auf der Palli viel realer und näher am Leben, als die Realität selbst. Diese ständige Oberflächlichkeit war frustrierend, ich wollte den klaren direkten Kontakt im existenziellsten Moment des Lebens. Denn die wenigsten Menschen können wirklich zuhören, meinen aber es zu können. Genauso wie gemeinsam schweigen. Es sind oft die kleinen Dinge, die uns in der Hektik des Alltags abhandenkommen.
Der Tod ist irgendwie zu meiner „Lebensaufgabe“ geworden, so definiere ich das zumindest für mich.

Was denken Sie über unser Verhältnis zum Tod?

Es ist eine sehr ambivalente Beziehung, die wir mit dem Tod haben. Letztlich werden wir ja mit der Gewissheit geboren, irgendwann sterben zu müssen. Aber solange wir diese ganze Thematik von uns wegschieben, betrifft es uns nicht. In meiner täglichen Arbeit merke ich immer wieder, dass es einen hohen Bedarf gibt, sich darüber auszutauschen. Egal, ob das junge oder ältere Menschen sind. Aber meistens wird dem Tod kein Raum gegeben. Letztens war ich in einer Grundschulklasse und habe über meine Arbeit erzählt. Ich wurde regelrecht von den Kindern mit Geschichten und Fragen überflutet. Sie wollten so viel mit mir teilen: persönliche Erfahrungen mit dem Tod aber genauso kamen Fragen auf, warum Tiere eingeschläfert werden dürfen, aber eben keine Menschen?
Je älter wir werden, desto stärker werden wir auch von der Gesellschaft sozialisiert und konfrontieren uns selbst nicht mehr mit unserer Sterblichkeit. Der Dalai Lama sagte ja nicht umsonst: „Der Mensch lebt, als würde er niemals sterben, und stirbt dann, ohne jemals wirklich gelebt zu haben.“

Haben Sie einen Rat an die Menschen, wie sie dem Tod begegnen könnten?

Wenn ich mir manchmal das Leben anschaue, sei es jetzt mein eigenes, das von Freunden und Bekannten oder einfach nur Fremden… dann ist das schon verdammt hart. Wieso ängstigt uns der Tod dann so sehr, wenn das Leben manchmal so anstrengend ist? Wir laufen weg vor Dingen, die wir nicht verstehen und auf die wir keine passende Antwort finden. Das ängstigt uns. Doch wie in der Geburt so ist es auch im Tod: wir wissen nicht, was danach kommt.
Konfrontieren Sie sich mit Ihrer Angst und reden Sie darüber. Ich bin mir sicher, es gibt genug Menschen, die ähnlich fühlen und denken. Auf den Tod vorbereiten kann man sich nicht, aber wir können uns gegenseitig stützen und da sein.
Und vergessen Sie nicht den Humor bei der ganzen Sache. Eine Patientin sagte mal: „Heute esse ich Radieschen und morgen seh ich die von unten.“ Das trifft es eigentlich ganz gut.